Eine Reise in die Zukunft des Wohnungsbaus

Veröffentlicht am 1. März 2021

Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld gilt in der Branche als ein „Energierebell“ und regt mit der Forderung zur „Enttechnisierung des Wohnungsbaus“ zum Nachdenken an. (Foto: Michael Bader)

„BFW baut Zukunft“ - so lautet das Motto des diesjährigen HANNOVER-FORUMS, das als Hybridveranstaltung geplant, am 22. Juni in Hannover virtuell und als Präsenz-Veranstaltung vor Ort stattfinden soll. Und fast scheint es so, als ob der Geschäftsführer des BFW-Landesverbandes Niedersachsen / Bremen dieses Motto im Hinterkopf hatte, als er für Mitte Februar das Thema des „4. Wowi-Web-Talks“ plante und dazu Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld einlud zum Thema „Enttechnisierung als Zukunft des Wohnungsbaus“ zu referieren.

Der wegen seiner nonkonformistischen Vorgehensweise bei der Entwicklung von Energiekonzepten weithin bekanntgewordene Experte nahm die Einladung gerne an, zumal er in Niedersachsen schon vor Jahren seine energetische Visitenkarte hinterlassen hatte: Bereits 2011 konzipierte er und sein „AutarkieTeam“ gemeinssam mit der HELMA Eigenheimbau AG aus Lehrte bei Hannover im dortigen Musterhauspark ein vielbeachtetes und ausgezeichnetes Eigenheim, das die Presse damals als „erstes bezahlbares energieautarkes Einfamilienhaus Europas“ feierte. Gespannt durfte man also sein, was der Honorarprofessor im Gepäck an Neuerungen und Wissenswertem haben wird. Und, soviel vorweg, die Erwartungen der Online-Zuhörer wurden nicht enttäuscht: Einleitend skizzierte Leukefeld, der sich selbst als Mittler zwischen Forschung, Entwicklung und dem ausführenden Handwerk sieht, die neue Zukunft des Wohnens, die seiner Auffassung nach vor allem von weniger Technik im und am Haus geprägt sein sollte. Basis seiner Überlegungen dabei sind zahlreiche Zukunftsprognosen über die Entwicklung des zukünftigen Wohnungs- und Energiemarktes.

Als beinflussende Indikatoren eines künftigen Immobilienmarktes hat der Professor und Dipl.-Ing. unter anderem die CO2-Steuer, den zunehmenden Handwerkermangel sowie die zu erwartende sinkende Kaufkraft der Mieter ausgemacht. Dabei sei die gegenwärtige Pandemie nicht der Auslöser, aber ein durchaus ernstzunehmender Beschleuniger. In Zukunft, davon ist Leukefeld überzeugt, wird es immer mehr Technik in den Häusern und Wohnungen geben. „Ist die erst einmal verbaut, muss diese auch regelmäßig gewartet werden. Wenn dann das Fachpersonal, das diese Arbeiten durchführen soll, nicht mehr in gewohnter Quantität und Qualität zur Verfügung steht, werden gemäß den Gesetzen des Marktes folgend, die Montagearbeiten und Wartungskosten drastisch steigen.“ So die Prognose von Prof. Leukefeld. Für Vermieter, also Anleger, die ihr Vermögen mit der Hoffnung auf gewinnbringende Renditen in Immobilien investiert haben, sieht laut Leukefeld die nähere Zukunft nicht besonders rosig aus:

In Freiberg / Sachsen hat Leukefeld als Planer und Bauherr mit seinem Autarkie-Team und in Zusammenarbeit mit der HELMA Eigenheimbau AG zwei vielbeachtete Einfamilienhäuser realisiert. (Foto: Timo Leukefeld)

Auch Mehrfamilienhäuser, wie dieses Projekt in Cottbus zeigt, lassen sich nach dem Autarkie-Prinzip wirtschaftlich sinnvoll errichten. (Foto: HELMA)

Neben den steigenden Unterhaltungskosten rund um die Immobilie, erwartet der Experte weiter steigende Energiekosten, wodurch in der Folge auch die Kaltmieten sinken werden und sich die Mietrenditen schmälern. Hier spiele vor allem auch die abnehmende Kaufkraft der Mieterhaushalte mit hinein. Einen möglichen Ausweg aus der sich sonst gegenseitig befeuernden Kostenspirale sieht Prof. Leukefeld unter anderem in der Enttechnisierung, also auch Vereinfachung der zu verbauenden Haustechnik. Diese Aussage meint nicht den Verzicht auf innovative TGA (Technische Gebäude-Ausstattung), sondern vielmehr „eine radikale Vereinfachung“, die vor allem auch „langlebiger gedacht’ werden sollte. Zwar habe der Gesetzgeber jetzt in diesem Punkt erste richtige Ansätze auf den Weg gebracht, doch „stehen wir hier erst am Anfang einer dringend erforderlichen Entwicklung.“

Wie eingangs bereits erwähnt, ist Prof. Leukefeld festes Mitglied des sog. Autarkie-Teams, dem neben ihm, der für den Sektor Energie zuständig ist, auch noch Jürgen Kannemann für die Projektsteuerung sowie Klaus Hennecke für den Bereich Architektur verantwortlich zeichnet. Was das Trio in Kooperation mit der HELMA Eigenheimbau AG vor gut einem Jahrzehnt in Lehrte als „realistische Konzeptstudie“ entwickelte und Stein für Stein erlebbar werden ließ, fand seine Weiterentwicklung mit dem Bau von 2 Häusern, die – nebeneinanderstehend – in einem Neubaugebiet in Freiberg/Sachsen zwischenzeitlich entstanden sind. Dabei ist der Planer auch zugleich Bauherr – Timo Leukefeld bewohnt eines der beiden Häuser bis heute selbst. Der damalige Vorsitzende des BFW-Landesverbandes Niedersachsen/ Bremen und Aufsichtsratsvorsitzende der HELMA Eigenheimbau AG, Karl-Heinz Maerzke, war schon damals vom konzeptionellen Ansatz des Autarkie-Hauses überzeugt und lobte die gemeinsame Zusammenarbeit: „Wir haben als Erster zusammen mit dem Autarkie-Team wirkliche Visionen für das Wohnen der Zukunft entwickelt, umgesetzt und wissenschaftlich begleitet. Energieautarke Mehrfamilienhäuser, die sich selbst mit Wärme, Strom und E-Mobilität aus der Sonne versorgen, die können wir perfekt bauen und darin sehen wir die Zukunft.“

Rund 10 Jahre später ist Prof. Leukefeld als Energiebotschafter noch immer mit der Forderung „weniger, einfacher, langlebiger“ unterwegs und erreicht inzwischen immer mehr Menschen, die sich von dieser Devise überzeugt zeigen. „Vielleicht unterstützt uns hierbei auch der aktuelle Trend nach mehr Ursprünglichkeit und Besinnung auf das Wesentliche – Folgen der Pandemie und ihrer Entwicklung, ohne sich dabei dem Innovativen zu verweigern.“ Beispielhaft berichtete der Referent über sein neuestes Pilotprojekt in Freiberg, ein Einfamilienhaus, das hochgradig energieautark und dennoch technikarm ausgestattet, zugleich aber intelligent und innovativ vernetzt ist. Zum Beispiel: Der benötigte Strom wird mittels Photovoltaik produziert und versorgt das Gebäude mit Wärme und Warmwasser. Eine Infrarotheizung sorgt zudem dafür, dass die Heizungstechnik wartungsarm und so fast gänzlich ohne weitere Nebenkosten auskommt. Überhaupt ist nur wenig verbaute Technik sichtbar.

Die bereits erwähnte Ära der auch energieautarken Mehrfamilienhäuser hat, wie bereits erwähnt, längst Einzug in den Immobilienbereich gehalten. Jetzt knüpft ein anderes, zukunftsorientiertes Geschäftsmodell an die von Prog. Leukefeld priorisierte veränderte Wohnungsbaustrategie an: Die Pauschalmiete mit Energieflat! „Dieses Modell“, erläutert Prof. Leukefeld, „beinhaltet einen festen monatlichen Mietzins, in dem bereits alle Kosten für Wohnen, Strom, Wärme und Mobilität enthalten sind. Das erleichtert nicht nur die Nebenkostenabrechnung, sondern sorgt auch dafür, dass der Mietzins für bis zu 10 Jahre festgeschrieben werden kann.“ Das, so die Berechnungen des Visionärs, kann dem Vermieter zusätzliche Mieterlöse im Vergleich zur bisher geübten Abrechnungspraxis bringen – „um bis zu 3 Euro je qm“, hält Leukefeld für durchaus realistisch. Der 4. Wowi-Web-Talk des BFW-Niedersachsen/Bremen hat neue Denkansätze aufgezeigt, die sicherlich nicht unstrittig in der Branche gesehen werden. Die aber geeignet sein können, den Herausforderungen der Zukunft im Wohnungsbau positiv und effektiv zu begegnen. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer dieses Online-Formats zeigten sich jedenfalls beeindruckt von dieser Reise in die vor uns liegende Zukunft des Wohnungsbaus.

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