Ministerpräsident Stephan Weil zur Situation in Kitas und Schulen

Veröffentlicht am 10. Oktober 2021

„In etlichen Schulen stehen Geräte bereit, in vielen Gemeinden sind Bestellungen erfolgt. Deswegen gehe ich davon aus, dass bis zum Winterbeginn viele Schulen, insbesondere in den neuralgischen Bereichen, entsprechend ausgestattet sind.“ (Foto: StK / Mohssen-Assanimoghaddam)

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat die ers- te Sitzung des Niedersächsischen Landtages nach der Sommerpause dazu genutzt, mit einer Regierungserklärung eindeutig Stellung beziehen und den sog. „Niedersächsischen Weg durch die Pandemie“ darzustellen. Dabei machte er klar, dass Corona noch nicht besiegt sei und auch weiterhin noch Einschränkungen notwendig seien, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden.

HAUS und GRUNDBESITZ veröffentlicht nachstehend die wesentlichen Passagen der jüngsten Regierungserklärung vom 14. September, die sich u.a. mit der Thematik „Lufthygiene in Kitas und Schulen“ beschäftigt. Die Ausführlichkeit und Intensität, mit der sich der Ministerpräsident mit diesem Thema auseinandersetzt, zeigt, wie wichtig Stephan Weil dieses Anliegen ist. Doch lesen Sie im Folgenden die Auszüge selbst…

„Die Sommerpause ist vorbei, die Pandemie dagegen leider noch nicht. Wie schon seit eineinhalb Jahren wird uns das Coronavirus auch in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen, allerdings auf einer deutlich anderen Grundlage als bislang. Meine letzte Regierungserklärung zu diesem Thema habe ich vor ziemlich genau vier Monaten abgegeben. Damals. (11. Mai) war die dritte Infektionswelle im Abklingen begriffen. […]

Zum damaligen Zeitpunkt herrschte überall in Deutschland Impfstoffmangel und es war gerade einmal ein Drittel der Bevölkerung zum ersten Mal geimpft. Wegen der fehlenden Verfügbarkeit von Impfstoffen, herrschte erheblicher Unmut, die „Impfdrängler“ waren ein großes Thema. […] Der amerikanische Präsident Joe Biden hat also Recht, wenn er hart aber zutreffend formuliert hat: „Das ist jetzt die Pandemie der Ungeimpften!“ Ich füge hinzu „Eine Pandemie der ungeimpften Erwachsenen“. Ich sage das nicht gerne, aber es ist die Wahrheit und der Ausgangspunkt für unsere weiteren Überlegungen. Denn die Schlussfolgerungen liegen doch auf der Hand: Wenn geimpfte Menschen selbst geschützt sind, wenn geimpfte Menschen kein Risiko für andere darstellen – ja, dann sind auch Einschränkungen ihnen gegenüber nicht gerechtfertigt. […] Die jetzt geimpften Bürgerinnen und Bürger haben aber auch einen Anspruch darauf, dass sie ihr altes Leben uneingeschränkt führen können. Der Erfolg in der Pandemiebekämpfung ist ihr Erfolg, und sie sollen ihn auch merken! Deswegen müssen sich unsere weiteren Aktivitäten auf die Gruppe der Ungeimpften konzentrieren.

Wer ist diese Gruppe?

Derzeit verfügen etwa 30 Prozent der Bevölkerung über keinerlei Impfschutz. Die größte Gruppe davon sind die Kinder bis 12 Jahren, das sind etwa 11 Prozent der gesamten Bevölkerung.
Für sie steht derzeit noch kein Impfstoff zur Verfügung, allerdings hat Biontech angekündigt, in Kürze einen entsprechenden Zulassungsantrag zu stellen. Das ist vor allem für die Eltern eine beruhigende Nachricht, deren Kinder Vorerkrankungen haben. Dazu kommen die Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Ihr Anteil allerdings ist gering, er liegt bei weniger als einem Prozent der Gesamtbevölkerung.

Mit dem ganz groben Daumen lässt sich also umgekehrt sagen: Etwas weniger als 20 Prozent der Erwachsenen könnten sich impfen lassen, sie lassen sich aber derzeit nicht impfen. Um diese Gruppe muss es in den nächsten Monaten gehen, wenn wir die Pandemie endlich überwinden wollen. […] Zum 30. September werden die großen Impfzentren aufgelöst. Die Zahl derjenigen, die sich dort impfen lassen wollen, ist sukzessive immer geringer geworden – das ist leider offenkundig. Ich möchte diese Maßnahme aber zum Anlass nehmen, mich sehr herzlich zu bedanken. Seit Anfang des Jahres haben die Impfzentren in den Landkreisen und kreisfreien Städten eine herausragende Arbeit geleistet. Sie waren das Rückgrat der bisherigen Impf-Kampagne. […] Natürlich werden die Impfzentren nicht ersatzlos aufgelöst. […]

Die Landkreise und kreisfreien Städte werden je 70.000 Einwohner Impfteams bilden. Diese Teams werden dezentral Impfangebote unterbreiten – in Stadtteilen mit niedriger Impfquote, vor Schulen, vor Veranstaltungsstätten und vielen anderen Orten mehr. […] Selbstverständlich werden daneben die Impfangebote durch die Ärzteschaft und die betriebsärztlichen Dienste aufrechterhalten und hoffentlich zahlreich in Anspruch genommen. Wir werden weiter intensiv für Impfungen werben und wir werden Impfungen noch leichter machen. Dazu kommt aber auch noch etwas anderes: Sich nicht impfen lassen zu wollen, ist Ausdruck einer freien Selbstbestimmung. Ich bin kein Freund einer Impfpflicht, denn damit wäre ein harter Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Bürgerinnen und Bürgern verbunden. Aber umgekehrt müssen Menschen, die sich gegen das Impfen entscheiden, auch für die Folgen ihrer Entscheidung einstehen. […]

Veränderte Lage

Wir haben eine gründlich veränderte Lage und es ist selbstverständlich, dass sich dies auch in der Corona-Verordnung niederschlagen muss: Seit Anbeginn der Pandemie hatten wir uns an der Entwicklung der Infektionszahlen orientiert, den sogenannten Inzidenzen. Das war auch richtig, solange mehr oder weniger alle Bürgerinnen und Bürger bedroht waren und die Infektionsherde nicht konkretisiert werden konnten. Durch die fortgeschrittenen Impferfolge ist aber eine Neuorientierung möglich, mit der wir in der letzten Verordnung (vom 24. August 2021) bereits begonnen haben.

Die Suche nach neuen Indikatoren gestaltet sich bundesweit etwas mühsam. Die Landesregierung hat sich frühzeitig für ein gemeinsames System von Bund und Ländern ausgesprochen. Die Bundesregierung hat demgegenüber zunächst erklärt, sie wolle von sich aus kein neues System einführen. Daraufhin haben wir mit der derzeit geltenden Corona-Verordnung einen eigenständigen Weg gehen müssen. […] Nun aber gilt doch eine Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes. Der Bundesgesetzgeber hat die Krankenhauseinweisungen zum Leitindikator erklärt und im Übrigen den Ländern die Ausgestaltung im Einzelnen überlassen. […]

Kitas und Schulen

Und dann ist da noch ein Bereich, den ich gesondert ansprechen möchte – die Situation in den Schulen und Kindertagesstätten. Gerade in der jungen Generation ist die Impfquote bundesweit besonders niedrig. Für Kinder bis 12 Jahren steht derzeit kein Impfstoff zur Verfügung, die Zahl der geimpften 12- bis 17-Jährigen ist noch unterdurchschnittlich, wobei Niedersachsen deutlich besser abschneidet als die meisten anderen Bundesländer. Darin drückt sich sicherlich auch die längere Unsicherheit aus, ob Impfungen für die Jugendlichen empfohlen werden oder nicht. Inzwischen hat die Ständige Impfkommission eine solche Empfehlung ausgesprochen. Ich hoffe deswegen sehr, dass gerade auch bei dieser Gruppe noch zahlreiche Impfungen folgen werden.

Niedersachsen hat den Jugendlichen sehr früh Impfangebote gemacht. Deswegen liegen wir mit unserer Impfquote bei dieser Gruppe mit vorne. Schon 45 Prozent der Jugendlichen sind wenigstens einmal geimpft. Das freut mich sehr. Nichtsdestotrotz, die meisten Schülerinnen und Schüler und fast alle Kinder in den Kindertagesstätten sind ungeimpft und sie sind nun einmal tagsüber zusammen in den Einrichtungen. Und zugleich haben wir es mittlerweile fast vollständig mit der Delta-Mutation zu tun, die bekanntlich noch einmal wesentlich ansteckender ist als ihre Vorläufer.

Wie gehen wir mit dieser Situation um?

In dieser Hinsicht gibt es eine ganz klare Priorität: Wir wollen nicht zurückkehren in den Lockdown, in die Schließung oder Teilschließung von Schulen und Kindertagesstätten. Wir wollen den Präsenzunterricht an den Schulen und auch den Kitabesuch in den nächsten Monaten aufrechterhalten! Wir wissen, dass gerade Kinder und Jugendliche bislang einen hohen Preis für den Infektionsschutz zahlen mussten. Deswegen müssen wir alles daransetzen, dass im neuen Schuljahr der Unterricht so normal wie nur irgend möglich durchgeführt werden kann.
Wir setzen weiterhin auf einen Mix von Schutzmaßnahmen: Dazu zählen vor allem Tests, die in den ersten Schultagen jeden Tag und ab jetzt drei Mal wöchentlich durchgeführt werden.
Wir haben im letzten Schuljahr die Erfahrung machen können, dass die Eltern die Tests zu Hause beinahe durchgängig sehr gewissenhaft durchgeführt haben. Wir knüpfen an diese guten Erfahrungen an und setzen ein bewährtes Verfahren verstärkt fort.

In der Schule, auch im Unterricht, besteht Maskenpflicht und zwar für alle Jahrgänge, um den Unterricht sicherzustellen. Hierfür muss ich alle Beteiligten um Verständnis bitten.
Gerade für die Kleinen ist uns diese Entscheidung zum Schuljahresbeginn nicht leichtgefallen, aber sie ist derzeit mit dem Blick auf die Reiserückkehrer und die unsichere Ausgangslage notwendig. Wir setzen weiter auf die Hygienekonzepte in den Schulen, die sich im alten Schuljahr sehr bewährt haben und auch in den nächsten Monaten zwingend notwendig sein werden. Und letztlich wird regelmäßiges Lüften seinen Beitrag leisten müssen. Lüften ist und bleibt die eigentliche Grundlage. […] Luftfilteranlagen sind eine sinnvolle Ergänzung. Bereits im Herbst letzten Jahres hatten wir als Land 20 Millionen Euro für Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt, die auch fast vollständig abgeflossen sind. Nun stellen Bund und Land insgesamt noch einmal 40 Millionen Euro zur Verfügung, um Lüftungstechnik anzuschaffen.

In etlichen Schulen stehen Geräte bereit, in vielen Gemeinden sind Bestellungen erfolgt. Deswegen gehe ich davon aus, dass bis zum Winterbeginn viele Schulen, insbesondere in den neuralgischen Bereichen, entsprechend ausgestattet sind. Und letztlich: Wenn dennoch ein Kind infiziert ist, dann muss nicht die ganze Klasse oder die ganze Gruppe in Quarantäne gehen. Auch in dieser Hinsicht sind wir inzwischen weiter und sehen eine Quarantäne nur für die direkten Nachbarn vor, und auch diese können sich freitesten. […] Wir werden die Entwicklung an den Schulen in den nächsten Wochen und Monaten sehr genau beobachten. Der Auftakt nach der Rückkehr aus den Sommerferien war jedenfalls durchaus
ermutigend. […]

Ausgangslage – es bleibt ernst

So ist also die Ausgangslage, mit der Niedersachsen im zweiten Jahr der Pandemie in das zweite Halbjahr geht. Wie sich die nächsten Monate entwickeln, ist schwer zu sagen, schließlich
hat das Coronavirus uns immer wieder negative Überraschungen bereitet. Nach Lage der Dinge lässt sich aber sagen: Die große Mehrheit der Bevölkerung wird ihr Leben weitestgehend normal weiterführen können. Wer vollständig geimpft ist, wird von weiteren Infektionsschutzmaßnahmen aus heutiger Sicht weitgehend unberührt bleiben. Damit haben wir einen wichtigen Zwischenerfolg erzielt! […]

Denn an einem möchte ich keinen Zweifel lassen: Eine Überlastung unseres Gesundheitswesens, eine unkontrollierte massenhafte Verbreitung des Virus, ist für die Landesregierung keine
Option. Wir sind froh und dankbar für die erzielten Fortschritte. Aber wir nehmen die Pandemie weiterhin sehr, sehr ernst und werden mit aller Entschiedenheit Gesundheit schützen und Menschenleben retten. Dieser Kurs, so habe ich den Eindruck, hat in der Politik und in der Gesellschaft große Zustimmung. Darauf können wir alle miteinander aufbauen. Gehen wir also wachsam, gehen wir aber auch mit Zuversicht in die nächsten Monate!“

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