Schlagabtausch verbal im Boxring

Veröffentlicht am 4. Januar 2022

Dirk Streicher (links), Vorsitzender des BFW-Niedersachsen/Bremen, Moderator Hartwig von Saß und Matthias Rüger vom BDA-Niedersachsen eröffneten den diesjährigen #fightCLUB! am Niedersächsischen Landtag in Hannover. Fotos: Andreas Bormann

Kein Körperkontakt, aber dafür umso schlagkräftigere Argumente: Vertreter der Immobilienwirtschaft und Architektur standen sich zum zweiten Mal im Boxring gegenüber. Direkt vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover debattierten die Fighter in vier Runden über aktuelle Herausforderungen der Branche. Im Mittelpunkt des von BFW und BDA veranstalteten #fightCLUB! stand dennoch der Dialog, um gemeinsame Lösungen zu finden.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung zeigten die Gastgeber, dass Immobilienwirtschaft und Architektur aufeinander angewiesen sind. „Architektur und Immobilienwirtschaft stehen vor denselben Herausforderungen. Klimawandel, zunehmende Vorschriften und Regulierungen sind nur einige der Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam im Gespräch bleiben und voneinander profitieren“, betonte Dirk Streicher, Vorsitzender des BFW-Niedersachsen/Bremen.

Der Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen, Matthias Rüger, stimmte zu: „Auch wenn wir in Teilen verschiedene Interessen verfolgen, brauchen wir einander, um die Herausforderungen der Zeit zu lösen. Im Fokus der derzeitigen Diskussionen und somit auch des diesjährigen #fightClubs! steht vor allem der Klimawandel. Wir, die Bau- und Planungsbranche, dürfen uns nicht zurücknehmen, sondern müssen vereint eine klimagerechte Transformation des Bauens erwirken. Gemeinsam schaffen wir das!“ Im Zentrum des diesjährigen #fightCLUB! standen Themen zu aktuellen Herausforderungen, wie beispielsweise „digital versus analog“ oder „Stadt versus Land“. In den zehnminütigen Fights begegneten sich jeweils zwei Kontrahenten im Boxring und diskutierten über Herausforderungen, Gegensätzlichkeiten, Gemeinsamkeiten und mögliche Lösungsansätze.

Jeder Fight ein reger Schlagabtausch

Trotz leichtem Nieselregen und teils stürmischen Böen wurde in allen Fights kontrovers diskutiert. Gleich zu Beginn gab es einen schlagkräftigen Argumentaustausch zum Thema „Lehm und Holz versus Beton und Stahl“. Dr. Christine Lemaitre ist die geschäftsführende Vorständin der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Sie machte ihrem Unmut über die Betonlobby mehrfach Luft und betonte, dass die Bemühungen der Industrie, vor allem auch im Bereich der Baustoffforschung, zu schwach seien.

Ihrem Mitstreiter Gerhard Greiner, Landesvorsitzender des BDA in Hessen, lag dagegen vor allem das langfristige und dauerhafte Bauen am Herzen, das einen nachhaltigen Einsatz auch von Beton und Stahl möglich mache. Beiden war am Ende klar, dass es zukunftsfähiger Lösungen für den nachhaltigen und umweltfreundlichen Einsatz verschiedener Baustoffe bedarf und es nicht darum gehe, welche Baustoffart die beste und einzige Lösung sei. Neben den Kontrahenten ließ sich auch das Publikum von den Meinungsunterschieden und Lösungsvorschlägen mitreißen. Vor allem das „Bremer Duell“ zum Thema „Verdichtung versus Traumhaus“ sorgte für viel Stimmung im Publikum. „Die Entwicklungen lassen nicht mehr zu, dass all unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Auf kurz oder lang müssen wir lernen, uns einzuschränken“, stellte Benjamin Wirth, Gründer von wirth Architekten, heraus. Dies sah sein Rivale, Olaf Mosel von M Projekt anders: „Ich finde, dass jeder so wohnen sollte, wie er möchte. Man kann den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben“.

Stadt oder Land? Das Eine geht nicht ohne das Andere

Lieber in der Stadt oder auf dem Land wohnen? Vorlieben spielten auch im nächsten Fight eine zentrale Rolle: Prof. Ulrike Mansfeld zeigte neben ihrer Vorliebe fürs Land auch dessen zentrale Bedeutung für die Städte auf. „Das Land bietet uns Naherholung, Nahrung, technische Innovationen und viele Arbeitsplätze. Wenn aber niemand mehr auf dem Land lebt und arbeitet, kommt es zu einem technischen K.O., worunter letztlich auch die Stadt und der Klimawandel leiden“, so die Dekanin der Fakultät Architektur, Bau und Umwelt an der Uni Bremen. „Wir müssen Leben und Arbeiten zusammenbringen. Das funktioniert in der Stadt besser. Dennoch müssen wir auch in unseren Städten einige Herausforderungen meistern, damit die Verdichtung nicht zu Lasten der Lebensqualität in den Städten geht“, betonte ihr Mitstreiter Manfred Hofmann vom Wohnungsunternehmen meravis. Kommentator Uwe Bodemann merkte in seinem Statement am Ende an, dass Stadt und Land nicht getrennt voneinander betrachtet werden sollten, wenn es um die jeweiligen Herausforderungen gehe. Symbiose anstatt Rivalität sei hier die Lösung.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Kontrahenten im Fight „Analog versus Digital“: Eva Ibrügger von der Delta Energie, die im Lager „digital“ antrat, legte den Fokus auf die neuen Möglichkeiten, die sich durch digitale Räume für unsere Flexibilität und Beweglichkeit ergeben. Auch wenn Stefan Giesler vom Büro Giesler Architekten seiner Mitstreiterin in vielen Punkten zustimmte, betonte er den Bedarf von analogen Orten des Zusammentreffens, die auch die Städteattraktivität steigern können. „Die Menschen wollen sich in Präsenz treffen und Begegnungen erleben, die es nur analog gibt. Wir müssen ihnen diese Räu-me bieten und so auch neue Konzepte verwirklichen, die die Menschen wieder in die Städte ziehen lassen“, forderte der Stadtplaner aus Braunschweig. Auch in diesem Fight zeigte sich der Wunsch nach hybriden Lösungen: Genau wie Stadt und Land in Wechselbeziehung zueinander stehen, werde niemand digital und analog voneinander trennen können.

Viel Input und neue Gedankenanreize

Am Ende der Veranstaltung wurde der Mehrwert eines solchen Aufeinandertreffens zwischen Immobilienwirtschaft und Architektur nochmals hervorgehoben: „Der Fightclub ist eine sehr gute Möglichkeit, um in einer Runde zusammenzukommen und gemeinsam über die Zukunftsfragen der Branche zu diskutieren.“ Die bauende und planende Zunft müsse gemeinsam Antworten finden und dafür in den Dialog treten. Wie in allen Fights deutlich geworden sei, so Uwe Bodemann, ehemaliger Stadtbaurat der Stadt Hannover und Kommentator im Ring, „ist ein Austausch über diverse Themen zentral.“ Auch Moderator Hartwig von Saß, Projekteiter der neuen Immobilienmesse Real Estate Arena, betonte zum Abschluss: „Das war ein Abend, bei dem ich viel neuen Input mitnehmen konnte und Themen nun aus anderen Perspektiven beleuchten kann. Es wurde deutlich, dass ein Schwarz-Weiß-Denken an vielen Stellen zu kurz greift.“

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