Wowi Web-Talks – anders netzwerken

Veröffentlicht am 1. Oktober 2020

Obwohl seit Jahren der Wohnungsneubau in der Weserstadt mit Engagement vorangetrieben wird, spitzt sich die Wohnraumversorgung im mittleren Preissegment, insbesondere in City-Nähe, unaufhörlich zu. (Foto: ze)

Anfang März fand die bisher letzte große Präsenzveranstaltung des BFW-Niedersachsen / Bremen statt: Das HANNOVER- FORUM war erneut ein großer Erfolg und Anziehungspunkt für viele aus den Reihen der Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, die an Leine und Weser engagiert sind. Zwar begrüßte man sich schon dort mit der Fußspitze, doch ahnte niemand, dass uns das Virus über den Jahreswechsel hinaus begleiten und unseren Alltag massiv verändern wird.

Zu einer der spürbaren Veränderungen gehört sicherlich, dass viele Veranstaltungen neuerdings online stattfinden – sei es als Online-Live-Event oder einfach als Videokonferenz. Das Stichwort „netzwerken“ hat so eine zweite, nicht unbedingt vorherseh- bare Bedeutung gewonnen. Der BFW-Niedersachsen / Bremen war einer der ersten Landesverbände, der auf die veränderte Situation reagierte und Online-Angebote sowie Wowi Web- Talks seinen Mitgliedern anbot. Schließlich sollte der Wissensund Erfahrungsaustausch nicht unterbrochen und auch der politische Diskurs sichergestellt werden.

Die Branche sah und sieht sich neuen Herausforderungen gegenüber: Neue Hygieneregeln auf den Baustellen, Bearbeitungsengpässe in den kommunalen Bauämtern, da viele der dortigen Mitarbeiter im Home-Office weilen. Aber auch Mietrechtsänderungen zum Schutz bestehender Mietverhältnisse und das sich abzeichnende Verfehlen der jählichen Neubauzuwächse (4.000 pro anno bzw. 40.000 in den nächsten 10 Jahren) auf der Basis der Zielvorstellungen des „Bündnis für bezahlbares Wohnen in Niedersachsen“ stehen auf der Agenda des Verbandes.

Den Auftakt der Wowi Web-Talks machten Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) und BFW-Landesverbandsvorsitzender Dirk Streicher. Ihre Schwerpunkte: Die Suche nach gemeinsamen Wegen zur Schaffung von mehr bezahlbarem, möglichst barrierefreiem Wohnraum sowie die Digitalierung in der kommunalen Verwaltung und den Unternehmen der Bau- und Wohnungswirtschaft. Dass hier auf beiden Seiten noch viel Nachholbedarf bestehe, erklärten Lies und Streicher übereinstimmend.

Der BFW-Vorsitzende mahnte zudem an, die Genehmigungs- und Planungsverfahren zu beschleunigen, um zeitliche Verzögerungen auf den Baustellen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Minister Lies versprach im Kontext mit der anstehenden Änderung der Niedersächsischen Bauordnung: „Wir werden den analogen in einen digitalen Prozess umwandeln, was uns nicht unbedingt schneller, aber flexibler macht.“

Auch sprach sich der Minister dafür aus, bei den im „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ beschlossenen Maßnahmen „noch einmal genauer hinzuschauen“, wo z.B. die Umsetzung der Kriterien Barrierefreiheit und Stellplatzverordnung besondere Probleme bereiten und die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen negativ beeinträchtigen. „Hier müssen wir die Rahmenbedingungen eventuell noch einmal auf den Prüfstand stellen“.

Flexibilität forderte Lies auch beim Thema „Mietzahlungen“ ein: „Viele Mieter stehen vor großen Herausforderungen. Hier müssen wir von staatlicher Seite Regelungen schaffen, dass die Mieen weiter bezahlt werden können und nicht nur gestundet werden.“ Hier seien Lösungen weit über das Wohngeld hinaus erforderlich.

Die Frage, was die Landesregierung tun könne, damit der Wohnungsneubau durchstarten und der Mangel an bezahlbarem Bauland verringert werden könne, beantwortete Minister Lies mit dem Hinweis auf ein Mehr an Grundstücksangeboten, vor allem von der öffentlichen Hand. Auch sollten alle Instrumente genutzt werden, um die Nachverdichtung bei bestehenden Baulücken besser umzusetzen. Auch sei zu überlegen, inwieweit durch Rückbau alter Immobilienflächen Platz für mehr Neubau geschaffen werden könne.

Lies forderte auch, z.B. über die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) mehr Flächen zu erwerben und diese dann nach schlüssigen Konzepten und nicht unbedingt an den Höchstbietenden zu vergeben. „So lässt sich eine kluge und gewollte Durchmischung der neu entstehenden Wohnquartiere erreichen.“

Dirk Streicher seinerseits betonte, dass „der Schlüssel für den preiswerten Wohnungsbau“ bereits beim Grundstück beginne. „Werden mehr Grudnstücke angeboten, wirkt sich das auch auf den Preis aus.“ Gleichzeitig appellierte der BFW-Landesverbandsvorsitzende, den Bauträgern mehr und besser geeignete Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Dekontamination und andere schwierige Baugründe würden oftmals das Bauen zusätzlich verteuern. Diese Flächen sollte man vorrangig für andere Marktsegmente vorhalten.

Differenziert fielen die Meinungen der beiden Gesprächspartner vor allem beim Thema der „Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft“ aus: Während Olaf Lies die Schaffung einer solchen Gesellschaft als Antwort sieht auf die Frage, warum die bisherigen Maßnahmen der Landesregierung, insbesondere die Förderprogramme, den Markt offenbar nicht so erreichen, wie dies notwendig erscheine, bezweifelte Dirk Streicher die Wirksamkeit und Sinnhaltigkeit einer solchen Neugründung.

Dabei verwies er auf die insgesamt erfolgreiche Arbeit der vielen privaten, institutionellen, kommunalen und genossenschaftlichen Anbieter von Wohnraum und hinterfragte, warum der Minister meine, dass eine neue Gesellschaft schneller und preiswerter neuen Wohnraum errichten könne.

Eine konkrete Antwort blieb der Minister schuldig, jedoch war er bemüht, darzustellen, dass eine eventuell neu zu gründene, landeseigene Wohnungsbaugesellschaft nicht als Konkurrenz zu verstehen sei, sondern vielmehr als Ergänzung dort, wo die gemeinsamen Ziele anders nicht erreicht werden.

Wohnungsbau für die Mitte der Bevölkerung

Beim Bremer Wowi Web-Talk erläuterten Bau-Senatorin Dr. Meike Schaefer (Grüne) und der BFW-Vizevorstandsvorsitzende Frank Vierkötter ihre Positionen. Dabei ging es neben lokalen Problemen der Weserstadt auch um allgemein gültige Konfliktfelder – primär den Wohnraummangel in der Hansestadt, insbesondere im mittleren und niedrigen Preisniveau.

„Wir suchen gemeinsam nach Möglichkeiten, den Wohnungsneubau anzukurbeln und Hemmnisse zu beseitigen“, harmonisierte die Senatorin gleich zu Beginn die Diskussion. Wichtig sei ihr, dass man mit möglichst vielen Markteilnehmern nach Lösungen sucht für die sich – auch durch Corona – zunehmend verschärfende Situation in der Bremer Innenstadt. Hier melden die Gazetten den Rückzug von großen Kaufhäusern, was sicherlich kein nur auf Bremen bezogenes Phänomen sei.

Auch Frank Vierkötter beobachtet diese Entwicklung mit Sorge, die sich mittlerweile in vielen deutschen Großstädten abzeichnet. Der BFW-Vize machte dafür unter anderem das sich ändernde Verbraucherverhalten verantwortlich – mit der Folge eines boomenden Online-Handels.

„Wir müssen hier andere Erlebniswelten in unseren Innenstädten schaffen, neue intelligente Konzepte entwerfen, bei denen auch das Wohnen in der City wieder dazu gehört.“ Das Aufstocken vorhandener Bausubstanz könne ein Weg sein, die Innenstädte wieder mit Leben zu erfüllen und die Attraktivität des Innenstadtwohnens zu steigern. „Leerstehende Geschäfte gehören aber sicherlich nicht dazu“, so Frank Vierkötter, selbst engagierter Wohnungsbauunternehmer.

Gleichzeitig hob er auch die Bedeutung des eigenen Zuhauses hervor, was insbesondere in Corona-Zeiten deutlich werde. „Das eigene Haus, der eigene Garten gelten als sicherer Rückzugsort.“ Doch das Problem: „In Bremen beginnt der Preis für ein einfaches Reihenhaus mittlerweile bei 350.000 Euro.“ Bei einem solchen Preisniveau bleibe für viele der Zugang zum privaten Wohneigentum verwehrt.

In diesem Zusammenhang appellierte er, die bisherige Flächennutzung in der Weserstadt genauer zu analysieren und Ausschau nach weiteren Einsparpotenzialen bei der Schaffung von neuem Wohnraum zu halten: Kleinere Grundstücke, ein Absenken der Ausstattungsmerkmale sowie die Größe der eigenen 4 Wände, sprich der Wohnfläche.

Senatorin Dr. Schaefer konterte diese Vorschläge und appellierte stattdessen an die Verantwortlichen, zum Beispiel stärker auch andere Errichtungsformen in Erwägung zu zielen. Mit Hinweis auf die Bremer Landesbauordnung kritisierte sie die ihrer Meinung nach „viel zu wenig genutzte Möglichkeit der Holzbauweise“ in ihrem Bundesland. Holz sei schließlich energetisch nachhaltig und auch in preislicher Hinsicht durchaus interessant.

Das Verzicht-Argument ließ die Senatorin nicht gelten, insbesondere dann nicht, wenn sich dies auf das Thema „Fotovoltaik“ bezieht. In Bremen besteht die Verpflichtung, jedes Neubaudach mit einer Fotovoltaikanlage auszustatten. Nur rund 2 Prozent des Bremer Potenzials werde davon bisher genutzt, obwohl das PV-Kataster der Stadt eindeutig die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen dokumentiere.

Frank Vierkötter appellierte an die Adresse der Politik: „Sie haben es in der Hand, der Verteuerung des Wohnungsbaus entgegenzuwirken.“ Dabei stellte er die Außergewöhnlichkeit der gegenwärtigen Situation in Europa heraus, die für keinen Ökonomen vorhersehbar gewesen sei.

„Der Neubau bei uns ist derzeit überhaupt nur noch bezahlbar, weil bei bisher anhaltendem Wirtschaftswachstum gleichzeitig eine Null-Prozent-Zins-Geldpolitik betrieben werde. So subventioniert die europäische Geldpolitik quasi den Haus-Neubau indirekt.“ Sollte sich diese Situation jedoch ändern, mahnte der BFW-Vize, werde kaum noch jemand in der Lage sein, sich die eigenen vier Wände zu leisten.

Für die gegenwärtigen Baukostensteigerungen machte Vierkötter indes andere Kriterien verantwortlich: Etwa die Erhöhung der Sozialwohnungsquote von 25 auf 30 Prozent, die jetzt bereits bei Projekten ab 20 statt wie bisher 50 Wohnungen gilt, sowie die Verlängerung der Sozialbindung von 20 auf 30 Jahre. „So haben wir geförderte Wohnungen für 6,20 Euro/m2 und frei finanzierte Wohnungen für 12 Euro/m²“ – alle im gleichen Haus. Vierkötter forderte einen Wohnungsbau für die Mitte der Bevölkerung, was durch die höhere Sozialquote und die Quersubventionierung aber zu einem weiteren Preisanstieg des frei finanzierten Wohnungsbaus führe.

Senatorin Dr. Schaefer machte hier andere Ansätze aus, die zu einer Kosteneinsparung beim Wohnungsbau führen könnten: Sie verspricht sich von der Flächenvergabe auf Erbpacht wichtige Impulse. Einigen Genossenschaften käme das sehr entgegen, zumal jenen, die sonst Wohnungsbau finanzieren könnten.

Anzeige

Mehr aus BFW