Ganzheitliche Energieversorgung

Veröffentlicht am 18. Dezember 2022

Bild: DORNIEDEN Gruppe

Was bei Wärme längst möglich ist, bleibt Quartiersentwicklern beim Strom bisher verwehrt: Lösungen für eine effiziente, gebäude-übergreifende Quartiersversorgung mit dezentral und nachhaltig erzeugtem Ökostrom. Heute ist es längst gängige Praxis, ganze Wohn- und Stadtquartiere mit klimafreundlicher, vor Ort erzeugter Wärme zum Beispiel per Nahwärmenetz zu versorgen. Innovationsexperte Julian von Reumont von der DORNIEDEN Gruppe kommentiert die aktuelle Situation.

Von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit Biogas bis zu zentralen Wärmepumpen mit Niedertemperaturnetzen können Quartiersentwickler wie die DORNIEDEN Gruppe dafür auf verschiedene, innovative und besonders effiziente Technologien zurückgreifen. Die Fernwärmeverordnung (AVBFernwärmeV) bietet die entsprechenden regulativen Rahmenbedingungen, um an viele Wohneinheiten nachhaltig und zentral erzeugte Wärme im Quartier verteilen zu können. Bei der gebäude-übergreifenden Ökostromversorgung im Quartier überwiegen dagegen derzeit noch die Investitionsrisiken und regulativen Restriktionen. So ist in Deutschland etwa geregelt, dass jeder Stromkunde seinen Versorger frei wählen und Verträge nach kurzer Laufzeit auch wieder kündigen kann. Das ist natürlich einerseits positiv für den Verbraucherschutz, führt jedoch auch dazu, dass ein Investor das Risiko scheut, die notwendige Infrastruktur für die Stromversorgung ganzer Quartiere mit Ökostrom zu finanzieren, da er nicht weiß, wie viele Kunden, wie lange einen Versorgungsvertrag abschließen werden.

Weitere Hindernisse können beispielsweise die Reduzierung der möglichen Dachflächen für Photovoltaikanlagen aus Brandschutzgründen, hohe Konzessionsabgaben beim Aufbau eines quartierseigenen Stromnetzes und gesetzliche Einschränkungen bei der grundstücks-übergreifenden Kopplung der Stromerzeugungsanlagen mehrerer Gebäude sein. Unterm Strich ist es deshalb derzeit kaum wirtschaftlich, Ökostrom für alle Haushalte in einem Wohngebiet über eine ähnliche Betreiberstruktur wie bei der Wärmeversorgung zur Verfügung zu stellen. Da bleibt leider derzeit erhebliches Potenzial ungenutzt – die Energiewende im Gebäudesektor kommt so nicht schnell genug voran.

Was bislang bei der Versorgung mit dezentral erzeugtem Ökostrom möglich ist, sind Lösungen für einzelne Gebäude. Das Mieterstrom-Modell für Mehrfamilienhäuser ist allerdings kompliziert, bürokratisch und kaum rentabel. Deshalb hat es sich bis heute auch in Deutschland noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Vor allem aber bringen derart kleinteilige Lösungen, die immer nur für einzelne Gebäude und Grundstücke gelten, den Klimaschutz im Wohnsektor nur in Tippelschritten weiter – und das kann nicht im Interesse der Politik sein, die sich sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt hat. Als Projektentwickler verfolgt die DORNIEDEN Gruppe mit den drei Bauträgermarken DORNIEDEN Generalbau, VISTA Reihenhaus und FAIRHOME den Anspruch, ganzheitlich geplante, nachhaltige Quartiere zu konzipieren. Ziel ist es, in zukunftsorientierten Quartieren eine dezentrale, klimafreundliche und möglichst autarke Energieversorgung zu ermöglichen. Bei der Wärme gelingt es in den vom Unternehmen geplanten Quartieren bereits sehr gut, beim Thema Strom sieht man den Gesetzgeber in der Pflicht, auch hier ganzheitlich geplante, nachhaltige Lösungen über alle Gebäude- und Grundstücksgrenzen hinweg zu ermöglichen.

Wie könnte so eine innovative Energieversorgung im Quartier konkret aussehen? Zukunftsweisend wäre eine quartiersinterne, gebäude-übergreifende Erzeugung des vor Ort benötigten Stroms – mit Photovoltaikanlagen auf allen Dächern – sowie die sektorengekoppelte Verwendung: Der Ökostrom würde dafür in zentrale Speicher fließen und zur Nutzung der Wärme- und Kälteerzeugung mittels Wärmepumpen als Privatstrom für die Haushalte und für den Betrieb einer quartierseigenen E-Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen. Nicht benötigten Strom könnte die Energiezentrale des Quartiers über eine Energie-Cloud für die überregionale Nutzung in anderen Quartieren bereitstellen. Denn so wie Lösungen bei nur einzelnen Gebäuden im Sinne des Mieterstrom-Konzepts ganzheitlich betrachtet nur wenig Sinn ergeben, darf man auch eine nachhaltige Energieversorgung in Quartieren nicht als Insellösung verstehen, sondern muss immer auch die Umgebung mit einbeziehen.

Einer der größten Vorteile ganzheitlicher Quartierslösungen bei der Energieversorgung ist die Kosteneffizienz: So lassen sich Investitionen in innovative Speichertechnologien auf viele Schultern verteilen. Damit sinken die Kosten für jeden einzelnen Haushalt enorm. Gleichzeitig könnten sich bei quartiers-übergreifenden Konzepten für die Stromversorgung Erzeuger und Verbraucher lokal ergänzen, ohne den bislang nicht lukrativen Weg der Einspeisung in das öffentliche Netz zu nehmen. Die Photovoltaikanlage des Nachbarn, der nicht zu Hause ist, würde dann beispielsweise den Strom für das Homeoffice und die laufende Waschmaschine im Nachbarhaus liefern, wenn hier der Bedarf nicht durch die eigene Anlage gedeckt ist. Es ist bedauerlich, dass sich eine quartiers-übergreifende Ökostromversorgung – anders als bei der Wärmeversorgung – bislang allenfalls bruchstückhaft und mit hohen Investitionsrisiken sowie regulativen Restriktionen realisieren lässt. Hier braucht es für den Fortschritt der Energiewende dringend den notwendigen regulativen Spielraum, um sinnvolle gebäude-übergreifende Lösungen voranzutreiben. Die regulativen Einschränkungen erschweren bislang die Energiewende und die rasche Abkehr von fossilen Energieträgern im Wohnsektor.

Bild: DORNIEDEN Gruppe

Julian von Reumont, Innova-tionsexperte der DORNIEDEN Gruppe kommentiert die aktuelle Situation ganzheitlicher Lösungen im Bereich Wärme- und Stromversorgung in Wohnquartieren. (Foto: DORNIEDEN Gruppe)

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