Auf ein Wort…

Veröffentlicht am 4. Januar 2022

BFW-Geschäftsführer David Jacob Huber vom Landesverband Niedersachsen / Bremen. (Foto: BFW)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Immobilienfreunde, die Wahlen sind geschlagen. Nun ist es wichtig, unser Land zukunftsorientiert aufzustellen. Zu lange schon dauert der Stillstand in Berlin und damit auch in den Ländern an. Denn vieles, was die Wohnungswirtschaft betrifft, wird nun mal von Berlin aus gesteuert. Was braucht die Immobilienwirtschaft schon seit Jahren dringend? Und was braucht die Wirtschaft allgemein dringend?

Die Pandemie hat sehr deutlich aufgezeigt, dass der Weg in die Globalisierung und Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer der falsche ist. Es sind oft nur Kleinigkeiten, die Baustellen zum Stillstand bringen oder den Baufortschritt zumindest verlangsamen. Hier ist die Zulieferindustrie gefragt und aufgefordert, ihre Produktion wieder zurück nach Europa zu holen. Denn der Preis, den wir für vermeintlich billige Arbeit in den Schwellenländern bezahlen, ist, realistisch betrachtet, ein sehr hoher. Gerade jetzt, wo die Lieferketten empfindlich gestört sind, die Kosten für die Logistik geradezu explodieren, zeigt es sich, dass viele Entscheidungen, einst kostenbegründet argumentiert, die falschen waren.

Die Folgen sind fatal, da sie jetzt, in einer Zeit, in der der Bedarf an Wohnraum in allen Assetklassen ständig steigt, auftauchen. Zeitverzögerungen am Bau sind Kostentreiber. Das steht mal fest und ist mehr als ärgerlich. Denn der dringend benötigte Wohnraum kann nicht fristgerecht zur Verfügung gestellt werden, die Mietkosten werden so weiter in die Höhe getrieben. Und jeder Tag kostet Geld. Geld, das die Herstellungskosten in die Höhe treibt und im Nachgang natürlich auch die Miet- oder Verkaufspreise. In Niedersachsen werden die Probleme, die durch die Unterbrechung der Lieferketten entstehen, durch ein anderes, noch weitgehend unbeachtetes Problem gesteigert. Dabei drängt die Zeit. Frage: Wer von Ihnen hat sich schon mal Gedanken gemacht, wo der Beton, der tonnenweise auf den Baustellen verbaut wird, herkommt? Ja, genau, der kommt aus den Betonwerken. Und diese Unternehmen stehen immer öfter vor der: „Woher kommt der Schotter, Kies und Sand?“

In Niedersachsen sind viele Kies- und Schottergruben nahezu vollständig ausgebeutet. Die Ressourcen werden immer kleiner, die Transportwege für den Rohstoff, der zur Betonherstellung gebraucht wird, werden immer länger. Dass das für die Umwelt nicht gerade förderlich ist, wenn immer mehr Schwertransporte immer länger unterwegs sind, um für Nachschub zu sorgen, liegt auf der Hand. Leider ist es immer wieder so, dass schon bei Bekanntwerden von Erschließungsvorhaben für neue Schottergruben oder Erweiterung der vorhandenen Gruben Umweltverbände auf den Plan gerufen werden, die die Bürger in der Umgebung mobilisieren, um das Vorhaben zum Scheitern zu bringen. Dabei sind diese Bürgerinitiativen zurzeit ziemlich erfolgreich. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – auch ich bin für aktiven Umwelt- und Klimaschutz. Auch ich bin dafür, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen sparsam und umweltverträglich umgehen müssen.

Aber, es kann doch nicht Sinn der Sache sein, dass wir eine Kiesgrube, die schon vorhanden ist, stilllegen müssen und dafür viele LKW auf den Straßen unterwegs sind, um den Rohstoff aus anderen Abbaugebieten nach Niedersachsen zu bringen. Hier müssen dringend die Prioritäten neu justiert werden. Aus meiner Sicht ist es auch sehr bedenklich, wenn Menschen, die in ihren eigenen Häusern wohnen, damit den Wohnbau für andere, die dringend auf Wohnraum angewiesen sind, verhindern oder verteuern. „Not in my Backyard!“ – diese Denkweise muss unbedingt aufhören. Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und die lautet: „Wohnraum für jedermann zur Verfügung stellen“! Hier muss der eine oder andere auch mal bereit sein, auf seine eigenen Ansprüche zu verzichten. Spannend wird es, wenn man dann mit jemandem, der aktiv für so eine Initiative zur Verhinderung einer Kiesgrube eintritt, ins Gespräch kommt. Auf die Frage, warum er sich engagiert habe, man dann zur Antwort bekommt: „Der Verkehr aus der Grube mindert den Wert meines Hauses.“ Okay, da ist der Grund nachvollziehbar.

Aber im Fortgang des Gespräches beklagt sich dieselbe Person, dass die eigenen Kinder, die längst aus dem elterlichen Haus ausziehen könnten und es auch wollen, das nicht können, weil sie keine bezahlbare Wohnung in der Kommune finden. Den Zusammenhang zwischen der Schließung der Kiesgrube und dem bezahlbaren Wohnraum vermögen manche nicht zu erkennen. Tja, über den Tellerrand hinausdenken, ist halt nicht jedermanns Sache. Das Land Niedersachsen setzt zunehmend auf den Bau von Holz- oder Holzhybrid-Häusern, auch im Geschosswohnungsbau, und verweist dabei auf erfolgreiche Projekte, die u.a. in Hannover realisiert wurden. Wenn jedoch der Holzbau forciert wird, sollte man immer im Hinterkopf haben, dass für den Innenausbau dieser Bauten Gips benötigt wird. Entweder als Gipskartonplatten für den Innenausbau oder in anderen Formen sogar für die Boden- und Deckenauskleidungen.

Gips ist ein natürlicher Rohstoff, der auch in Südniedersachsen abgebaut wird. Dieser Abbau wird jedoch schon in naher Zukunft der Vergangenheit angehören. Denn: In den aktuellen Raumordnungskonzepten des Landes sollen nicht einmal mehr kleinflächige Erweiterungsflächen von bereits bestehenden Gipsgruben vorgesehen werden. Das mag ja nur ein Nebensatz für die Politik sein. Und es ist mit Sicherheit eine gute Nachricht für die unmittelbaren Nachbarn in den Abbaugebieten. Doch es ist eine sehr schlechte Nachricht für die Wohnungswirtschaft und die Umwelt: Um einige Hektar Natur – teilweise oder eher Ackerfläche – zu schützen, zahlt man in naher Zukunft den Preis einer weit höheren Umweltbelastung, denn dann wird der in Niedersachsen benötigte Gips aus anderen Ländern importiert, im schlechtesten Fall sogar aus Übersee. Was das für das Klima und den CO2-Ausstoß bedeutet, kann man sich leicht ausrechnen. Mir ist völlig klar, dass auch die Rechte der Eigentümer und Nachbarn von Abbaugebieten berücksichtigt und eventuelle Nachteile ausgeglichen werden müssen. Aber es kann nicht sein, dass zugunsten der Interessen relativ kleiner Gruppen die Bau- und damit die Wohnkosten für weit mehr Bürger in die Höhe getrieben werden. Hier ist die Politik aufgefordert, alle Zusammenhänge zu erkennen und im Interesse aller Bürger zu handeln. Und dabei auch dafür zu sorgen, dass die Natur weitgehend geschützt und erhalten bleibt. Es ist ein Spagat, der zu gehen ist und sicherlich Entscheidungen braucht, die Mut verlangen.

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