Veröffentlicht am 1. Juli 2025
Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW-Landesverbandes Niedersachsen / Bremen. (Foto: bfw-bund)
Der BFW-Landesverband Niedersachsen / Bremen kritisiert die massiven Grundsteuererhöhungen in 133 niedersächsischen Kommunen als schweren Schlag für die Immobilienwirtschaft und warnt vor erheblichen Auswirkungen auf Mieter und Eigentümer. Trotz politischer Zusagen, dass die Grundsteuer im Zuge der bundesweiten Reform nicht steigen sollte, plant knapp jede siebte niedersächsische Gemeinde noch in diesem Jahr eine Erhöhung ihrer Grundsteuer-Hebesätze.
Diese Entwicklung ist ein Schlag ins Gesicht aller, die auf das politische Versprechen der Aufkommensneutralität vertraut haben“, erklärt Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW-Landesverbands Niedersachsen/Bremen. „Unsere Mitgliedsunternehmen, die in den letzten Jahren rund die Hälfte des Geschosswohnungsbaus in den Ballungszentren realisiert haben, sehen sich nun mit einer zusätzlichen Kostenlawine konfrontiert, die letztendlich an Mieter und Käufer weitergegeben werden muss.“ Extrembeispiel Schneverdingen verdeutlicht Dimension der Belastung Die stärkste Grundsteuererhöhung verzeichnet die Stadt Schneverdingen im Heidekreis, wo Eigentümer einer typischen Immobilie mit 500 Quadratmetern Grundstück und 120 Quadratmetern Wohnfläche künftig rund 170 Euro mehr pro Jahr an Grundsteuer zahlen müssen. Für die Immobilienwirtschaft bedeuten solche Erhöhungen eine erhebliche Kalkulationsunsicherheit bei Neubau- und Bestandsprojekten.
Kommunalfinanzen in historisch schlechtem Zustand
Die Ursachen für die massiven Steuererhöhungen liegen in der prekären Finanzlage der niedersächsischen Kommunen. Jan Vermöhlen vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen beschreibt die Situation drastisch: „Im Grunde genommen schreiben die niedersächsischen Städte und Gemeinden seit 2020 durchgehend jedes Jahr ein Minus. Es war aber noch nie so tief und rot wie 2024. Also, die Hütte brennt“. Diese dramatische Einschätzung wird durch konkrete Zahlen untermauert: Die Kassenkredite der Städte und Gemeinden stiegen im vergangenen Jahr auf 2,45 Milliarden Euro. Diese Kredite sind vergleichbar mit dem Dispokredit von Privatpersonen und zeigen, wie strukturell die Finanzprobleme der Kommunen geworden sind. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet diese Entwicklung eine doppelte Belastung: Einerseits steigen die direkten Kosten durch höhere Grundsteuern, andererseits verschlechtern sich die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbau, da die Kommunen weniger Mittel für die notwendige Infrastruktur zur Verfügung haben.
Auswirkungen auf Wohnungsmarkt und Baukosten
Die Grundsteuererhöhungen treffen die Immobilienwirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Bereits jetzt kämpfen Bauunternehmen und Projektentwickler mit gestiegenen Material- und Energiekosten, verschärften Bauvorschriften und einem Mangel an Fachkräften. Die zusätzlichen Steuerlasten verstärken den Kostendruck erheblich. Besonders problematisch ist dabei die Unvorhersagbarkeit der Entwicklung: Während Unternehmen bei Neubauprojekten mit mehrjährigen Planungs- und Realisierungszeiträumen kalkulieren müssen, können sich die Grundsteuerhebesätze kurzfristig ändern. Dies erschwert eine verlässliche Kostenplanung und kann dazu führen, dass Projekte unwirtschaftlich oder gar nicht erst begonnen werden. Die Weitergabe der Mehrkosten an Mieter und Käufer ist dabei unvermeidlich. Bei Mietwohnungen können Grundsteuererhöhungen als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden, was die ohnehin angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft. Bei Eigentumswohnungen und Häusern führen die höheren laufenden Kosten zu einer zusätzlichen Belastung der Käufer, was die Nachfrage dämpfen kann.
Politische Forderungen des BFW
Angesichts dieser Entwicklung fordert der BFW Landesverband Niedersachsen/Bremen von der Politik ein entschiedenes Handeln. Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes kritisiert bereits die unzureichende Unterstützung: „Großinvestitionen zwingen viele Kommunen, ihre finanziellen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies liegt insbesondere an der unzureichenden Unterstützung von Land und Bund“. Das niedersächsische Finanzministerium verweist darauf, dass bereits jetzt fast jeder dritte Euro des Landeshaushalts an die Kommunen fließe. Dennoch sieht der BFW hier weiteren Handlungsbedarf, insbesondere bei der Finanzierung kommunaler Infrastrukturprojekte, die für eine erfolgreiche Wohnungsbaupolitik unverzichtbar sind. Zusätzliche Belastungen könnten auf die Kommunen zukommen, wenn auf Bundesebene geplante Sonderabschreibungen für Unternehmen umgesetzt werden. Diese würden die Gewerbesteuereinnahmen der Städte und Gemeinden reduzieren und damit den Druck auf die Grundsteuer weiter erhöhen. BFW fordert verlässliche Rahmenbedingungen Der BFW Landesverband sieht in den aktuellen Entwicklungen eine Gefährdung der Wohnungsbauziele in Niedersachsen und Bremen. Als Lösungsansatz schlägt der Bund der Steuerzahler die Fusion mehrerer Gemeinden vor, um Verwaltungskosten zu sparen. Allerdings erscheint dieser Ansatz kurzfristig wenig realistisch, da Gemeindefusionen komplexe politische Prozesse sind, die oft auf erheblichen Widerstand bei den Bürgern stoßen. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft sind vor allem verlässliche und planbare Rahmenbedingungen erforderlich. Die ursprünglich versprochene Aufkommensneutralität der Grundsteuerreform muss wiederhergestellt werden, um Investitionssicherheit zu schaffen. Darüber hinaus müssen Land und Bund ihre Unterstützung für die Kommunen verstärken, damit diese ihre Infrastrukturaufgaben erfüllen können, ohne die Steuerschraube immer weiter anzuziehen.
Ausblick: Weitere Verschärfung der Wohnungskrise befürchtet
Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass die 133 Kommunen, die bereits Grundsteuererhöhungen beschlossen haben, nur der Anfang einer größeren Welle sein könnten. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet dies eine zusätzliche Herausforderung bei der ohnehin schwierigen Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der BFW-Landesverband warnt davor, dass die Grundsteuererhöhungen die Wohnungskrise in Niedersachsen und Bremen weiter verschärfen könnten. Wenn die Kosten für Wohnimmobilien weiter steigen, wird es für breite Bevölkerungsschichten noch schwieriger, angemessenen Wohnraum zu finden oder zu finanzieren. Die Entwicklung zeigt auch, dass die Grundsteuerreform ihr ursprüngliches Ziel der Aufkommensneutralität verfehlt hat. Statt einer gerechteren Verteilung der Steuerlast führt sie in vielen Fällen zu einer generellen Erhöhung der Belastung, die letztendlich von Mietern und Eigentümern getragen werden muss. Über den BFW-Landesverband Niedersachsen/Bremen Der BFW-Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. ist das Sprachrohr der privaten, mittelständischen und inhabergeführten Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen. Als Teil eines Netzwerks aus 7 Landesverbänden sowie dem BFW-Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen vertritt der Verband derzeit über 90 Unternehmen in Niedersachsen und Bremen. Bundesweit sind rund 1.600 Unternehmen im BFW organisiert. Die Mitgliedsunternehmen haben in den letzten Jahren in den Ballungszentren rund die Hälfte des Geschosswohnungsbaus sowie zahlreiche Ein-, Zwei- und Reihenhäuser realisiert und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Wohnraumversorgung in der Region.