Auf ein Wort…

Veröffentlicht am 1. März 2021

BFW-Geschäftsführer David Jacob Huber vom Landesverband Niedersachsen / Bremen. (Foto: BFW)

Wir erleben zurzeit eine Situation, die für uns alle neu ist. Und die eine riesige Herausforderung darstellt. Viele Dinge müssen neu gedacht werden. Was bis zum März 2020 völlig normal war, ist nun in die Rubrik „Damals, als es noch erlaubt war“ gerutscht. Tätigkeiten, die völlig selbstverständlich waren, sind gerade undenkbar.

Haben Sie vor dem März 2020 jemals dankbar darüber nachgedacht, wie schön es ist, in der Mittagspause in ein Café zu gehen und mit Freunden, Bekannten oder Kollegen einen Kaffee zu trinken? Oder gemeinsam in ein Restaurant gehen zu können, um in netter Gesellschaft ein gutes Essen zu genießen? Ich erlebe gerade in der Zusammenarbeit mit der Landesregierung, wie dramatisch sich die Situation entwickelt. Auch hier muss vieles neu gedacht werden. Wenn man bedenkt, wie lange die Entscheidungswege dauern, bis etwas auf den Weg gebracht ist und als Gesetz oder Verordnung veröffentlicht wird, ist das wahrlich eine Mammutaufgabe. Alle Beteiligten sind sich einig in der Tatsache, dass die Pandemie gravierende Änderung in der Definition des Wohnens mit sich bringen wird. Die Themen Home-Schooling, Home-Office stellen die Mieter vor große Herausforderungen. Aber auch, wie und wo man wohnt. Viele Menschen fühlen sich gerade eingesperrt in ihrer Wohnung in den Innenstädten, oft ohne Balkon oder Freisitz. Deshalb kann sich gerade niemand darüber wundern, dass immer mehr Menschen den Wunsch haben, eine eigene Immobilie, möglichst stadtnah und mit einem kleinen Garten, zu erwerben oder zu bauen.

Ich bin gespannt, wie die Politik, die Banken und auch die Förderbanken des Bundes und des Landes auf diese Veränderungen reagieren werden. So mancher denkt sich, dass der Staat und die Länder ja schon viel dafür tun, dass Eigenheime geschaffen werden und nennt hier als Beispiel das Baukindergeld. Jedem, der das denkt, sei ins Stammbuch geschrieben, dass dieses Baukindergeld durch die ständig ansteigenden Bau- und Grundstückspreise sowie durch die kommunalen Nebenkosten schon lange aufgefressen wird. Wenn wir es nicht schaffen, schneller und mehr Bauland zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die ständig steigenden technischen oder physikalischen Anforderungen für den Wohnbau einzufrieren oder sogar zu senken, werden wir in ein riesiges Loch fallen. Und viele, die dringend Wohnraum brauchen, werden im wahrsten Sinn des Wortes auf der Straße bleiben oder landen. Obdachlosigkeit ist längst nicht mehr nur ein Problem von Randgruppen der Gesellschaft, sondern ein Thema in der Mitte der Gesellschaft. Es gibt viele Familien, die in für sie völlig ungeeigneten Wohnungen hausen. Denn „Wohnen“ kann man das nicht mehr nennen, wenn eine 5-köpfige Familie auf 60 Quadratmeter ohne Balkon leben muss.

Derzeit entwickelt sich ohne öffentliche Aufmerksamkeit eine Situation, die zu einem Sprengstoff mitten in der Gesellschaft führen kann und auch wird, wenn wir nicht schnell das Ruder umstellen und gegensteuern. Ich bin der völligen Überzeugung, dass öffentliche Förderungen nicht ausreichen werden, um ein Ansteigen der dramatischen Situation zu verhindern. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole – es hilft nur, alles daranzusetzen, dass schnell und preiswert gebaut werden kann. Dazu muss von öffentlicher Hand gesteuert schnell bezahlbares Bauland geschaffen werden, die Bauaufsichtsbehörden müssen mehr Spielraum in ihrer Entscheidungsgewalt bekommen, die technischen und physikalischen Anforderungen müssen neu überdacht und vereinheitlicht werden und vor allem muss das Mietrecht in Bezug auf Mieterstrom und Pauschalmiete geändert werden. Damit mehr regenerative Energien eingesetzt werden, muss auch das Steuerrecht für Genossenschaften angepasst werden und die EEG-Umlage für den Eigenverbrauch entfallen. Mir ist schon klar, dass wir hier sehr dicke Bretter zu bohren haben – aber die müssen gebohrt werden.

Jetzt und so schnell als möglich. Wir müssen aufhören, in Problemen zu denken. Ich stehe nach wie vor dazu, dass unsere Gesellschaft zerbrechen wird, wenn wir die Probleme rund um das Wohnen nicht in den Griff bekommen. Ein letzter Satz noch: Die Probleme werden nicht mit immer neuen Förderungen gelöst – jetzt müssen praktische, schnelle und unbürokratische Lösungen her. Der Staat muss nicht Geld in den Markt werfen, sondern Grundstücke und Baugenehmigungen. Und die Bevormundung und Regulierungswut muss (etwas) zurückgefahren werden.

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