Politischer Mut und Verlässlichkeit

Veröffentlicht am 1. Dezember 2023

Katharina Over, Referatsleiterin „Recht und Förderung des Städtebaus“ beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, verwies in der Talkrunde auf die für 2024 angekündigte Novelle der Niedersächsischen Bauordnung. (Foto: Niklas Krug)

Die Lage ist ernst, denn die aktuellen Zahlen der jüngsten Umfrage des BFW-Niedersachsen / Bremen bestätigen: Der Wohnungsbau in beiden Bundesländern ist um über 50 Prozent eingebrochen. Bei der 11. nordwestdeutschen Immobiliennacht wurde gemahnt, diskutiert und es wurden immer wieder Lösungen aufgezeigt: Allen voran müssen die zu hohen Baustandards gesenkt und Planungsprozesse beschleunigt werden. Nur so kann Bauen schneller und kostengünstiger werden.

Schon zu Beginn seiner Begrüßungsrede fand Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW-Niedersachsen / Bremen, deutliche Worte für die aktuelle Branchensituation: „Der Wohnungsneubau mit den vorhandenen Rahmenbedingungen ist am Ende. Immer wieder haben wir als Verband auf die Ursachen, die das Planen und Bauen unnötig verteuern, hingewiesen. Wir wurden gehört, aber nicht ernst genommen.“ Der vom Bund im September präsentierte 14 Punkte Plan reiche bei weitem nicht aus. Sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen müssten jetzt massiv nachlegen. „Zusätzlich benötigen wir endlich politischen Mut und Verlässlichkeit.“ Welche politischen Hebel Niedersachsen nutzt, um die Branche zu entlasten, beantwortete Katharina Over, Referatsleiterin „Recht und Förderung des Städtebaus“ beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung in der anschließenden Talkrunde:

„Niedersachsen flankiert die Maßnahmen der Bundesregierung und setzt diese um.“ Damit verwies Katharina Over zugleich auf die angekündigte Novelle der Niedersächsischen Bauordnung, die ab dem nächsten Jahr, die Standards senken und das Bauen vereinfachen soll. Dr. Ralph Baumheier, Staatsrat bei der Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung Bremen, formulierte drei mögliche Ansatzpunkte und Hebel: Eine attraktive Ausgestaltung von Förderprogrammen, eine ausreichende Bereitstellung geeigneter Flächen und einen sensiblen und pragmatischen Umgang mit Standards. Für Bremen sehe er den Vorteil darin, als Stadt-Staat schneller an den Lösungen mitwirken und darauf hinwirken zu können, dass es auch in die Umsetzung gehe. Aus Unternehmersicht formuliert Jörg Jungesblut, Geschäftsführer der blueorange Development Partner GmbH und Vorstand des BFW-Niedersachsen/Bremen:

„Es gibt nicht nur ein oder zwei Hebel. Es braucht leider mehr. Messbare Auswirkungen würde es haben, wenn der Staat nicht einerseits das Bauen durch ungebremste Regelungswut und Verschärfungen verteuert und sich dann andererseits aber selbst bedient, z.B. durch hohe Grunderwerbsteuern und restriktive Abschreibungsmöglichkeiten. Auch Förderungen laufen gewöhnlich der Entwicklung hinterher und sind nicht zuverlässig. In der aktuellen Situation sind sie aber kein nice-to-have, sondern existenziell.“ Dass der BFW Niedersachsen/Bremen als Vertreter der vorrangig mittelständischen Wohnungsunternehmen nicht allein für sich spricht, unterstrich die anschließende Talkrunde mit Vertretern anderer regionaler Verbände. Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt vom vdw Niedersachsen Bremen betonte, dass auch die Zahlen ihres Verbandes kein besseres Bild zeichnen:

„Der Druck auf die Wohnungsmärkte in Niedersachsen wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Wir müssen uns jetzt auf den Geschosswohnungsbau und auf eine sozial verantwortungsvolle und klimagerechte Sanierung des Wohnungsbestandes fokussieren. Den Turnaround zu schaffen, wird eine Mammutaufgabe sein.“ Eine Lösung zur Kostensenkung sieht sie in der Entwicklung des Gebäudetyp E. Dazu ergänzte Jörn P. Makko, Hauptgeschäftsführer vom Bauindustrieverband: „Die Kostenmieten liegen inzwischen bei 18 bis 19 Euro, das heißt, sozialer und bezahlbarer Wohnungsbau ist unter diesen Voraussetzungen nicht mehr möglich. Was wir jetzt brauchen, ist Geschwindigkeit und Sicherheit. Wir können das nicht aufholen, was wir an Zeit verlieren durch politisches Nichthandeln“.

Politische Verlässlichkeit als Stichwort griff Philipp Weber als stellvertretender Vorsitzender des BFW-Niedersachsen/Bremen auf: „Wir brauchen Verbindlichkeit und Planungssicherheit in Bezug auf die Förderungen, das heißt, wir müssen wissen, welche Wohnungen die nächsten fünf Jahre gefördert werden.“ Aber auch selbstkritisch richtete Weber die Worte an die eigene Branche: „Neben unseren Forderungen an die Politik nach Deregulierung und verlässlicher Förderung, müssen wir uns als Bauschaffende auch fragen, wie wir im Rahmen unserer Möglichkeiten wieder einfacher bauen können. Dazu brauchen wir Innovationen und die Industrie, damit wir unsere Immobilien anders gestalten können.“

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