„Was wir von Wien lernen können!“

Veröffentlicht am 1. Oktober 2023

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies während seiner Delegationsreise mit Verbandsvertretern in Wien.

Neben den aktuellen Rahmenbedingungen sehen sich die Verbände mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Die Landeswohnbaugesellschaft. Die Landesregierung entschied sich für die Gründung einer Wohnbaugesellschaft nach Wiener Vorbild. Der funktionierende Gemeinde- und Sozialwohnungsbau in der österreichischen Hauptstadt begründet unter anderem die niedersächsische Entscheidung.

Aus diesem Grund lud der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies Vertreter der Verbände und Organisationen aus Niedersachsen zu einer Delegationsreise nach Wien ein. Drei Tage intensives Programm erwartete die Verbandsvertreter. Neben Gesprächen mit Politikern und Vertretern der Verwaltung nahmen sie auch an Projektbesichtigungen und Netzwerktreffen teil. Das Ergebnis: Auch wenn es unmöglich ist, die Wiener Wohnbaupolitik in Niedersachsen zu kopieren, lässt sich von Wien und seinen Akteuren lernen. Herausragend ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, die oftmals ihre Eigeninteressen zugunsten des Slogans „Wien baut Zukunft und keine Armut“ hintenanstellen.

Spannend schilderten auch private „kapitalistische“ Bauträger, wie gut die Zusammenarbeit mit den öffentlichen Unternehmen und Akteuren funktioniert. Immer wieder wurde deutlich: In Wien tauscht man sich auf Augenhöhe aus, erzielt Ergebnisse und setzt diese zeitnah um. Zitat: „Es wird sich schon ausgehn‘“, so der allgemeine Tenor bei der Delegationsreise in Wien. Außerdem wurde darüber berichtet, dass selbst unter schwierigen Bedingungen, wie hoher Interessenvielfalt und diversen Vorschriften, sogar bei großen Quartierprojekten sehr schnell Entscheidungen getroffen und Baurecht geschaffen wird.

Nach Abschluss der Planungen und notwendigen Vorarbeiten seitens der Bauträger, egal ob öffentliche oder private Unternehmen, wird in der Regel innerhalb von drei bis sechs Monaten eine Baugenehmigung erteilt. Auch das Thema „Akzeptanz“ spielt eine große Rolle: Die Anspruchsgruppen werden von Anfang an mitgenommen und informiert. Somit gelingt es, eine angenehme Atmosphäre in der Branche zu schaffen und schnell gute Ergebnisse zu erzielen. Auffällig war die gute Durchmischung in den teilweise sehr hoch verdichteten neuen Quartieren, die daher eine verhältnismäßig geringe Kriminalitätsrate aufwiesen. Möglich wird dies durch die sehr hohen Einkommensgrenzen beim Zugang zum geförderten Wohnungsbau.

Was lernen wir nun von Wien?
1. Kultur des Miteinander-Redens
2. Gemeinsam formuliertes und verfolgtes Ziel
3. Alle Akteure arbeiten zusammen für dieses Ziel
4. Der Staat lenkt, die Gesellschaft wird dabei mitgenommen

Fakt ist aber auch: Der Wiener Gemeindewohnungsbau hat ei- ne Historie von über 100 Jahren. Aus der Not geboren, wurde dieses Modell zu einem Erfolgsmodell, das zugegebenerma- ßen auch seine Schattenseiten hat. Die Vorgehensweise kann man nicht einfach auf Niedersachsen übertragen, wenngleich man von Wien in einigen Bereichen etwas lernen kann. In Wien wurde klar, wie hoch die Erwartungen an die neue niedersächsische Landeswohnbaugesellschaft sind und wie gering im Gegensatz dazu, die Möglichkeiten sind, diese auch zu erfüllen.

Wien ist eine Stadt mit über zwei Millionen Einwohnern und hat im Wesentlichen eine einzige Verwaltung, die vom Rathaus aus gelenkt wird. Niedersachsen ist ein Flächenland mit knapp acht Millionen Einwohnern, die in acht kreisfreien Städten und 37 Landkreisen mit teilweise völlig unterschiedlichen Problemstellungen leben. Es liegt in der Hand der Landkreise, ob sie mit der neuen Landeswohnbaugesellschaft zusammenarbeiten werden oder nicht.

Zitat der Woche

„Glauben Sie, es wird schneller und preiswerter, wenn eine Behörde anstatt eines privaten Unternehmens anfängt, Häuser zu bauen?“ Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zur Frage, warum der Bund nicht mehr baut. (Quelle IZ Immobilienzeitung)
David Jacob Hube

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