Sozialer Wohnraum – Mitstreiter gesucht

Veröffentlicht am 1. Dezember 2023

Dr. Andrea Hanke, Dezernentin für Soziales, Teilhabe, Familie und Jugend bei der Region Hannover… (Foto: Region Hannover / P. Schröder)

Ein Blick auf den deutschen Wohnungsmarkt zeigt es: Nachfrage und Angebot sind aus der Balance geraten und haben sich im Verlauf der letzten Monate zusätzlich noch weiter verstärkt. Als Ursachen lassen sich der ungemindert, anhaltende Zuzug von Flüchtlingen sowie die gegen Null tendierende Neubautätigkeit identifizieren.

Grund genug für HAUS- und GRUNDBESITZ bei der Region Hannover nachzufragen, wie es um das speziell für Vermieterinnen und Vermieter konzipierte Förderpaket bestellt ist. Dafür stand Dr. Andrea Hanke, Dezernentin für Soziales, Teilhabe, Familie und Jugend der Region Hannover, jetzt netterweise zur Verfügung.

1. Frage: Seit wann gibt es das Förderprogramm zur Unterstützung von Wohnungssuchenden, insbesondere für Alleinerziehende und Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen in der Region Hannover?

Dr. Andrea Hanke: Die Region setzt sich schon seit vielen Jahren dafür ein, bezahlbaren Wohnraum gerade für die Menschen zu sichern, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden. Ein Baustein dafür ist das Förderpaket für Vermieterinnen und Vermieter, die sich dafür entscheiden, Belegungsrechte an die Region zu verkaufen. Das Förderprogramm gibt es bereits seit 2018. Wir haben die Förderkonditionen noch einmal umfassend überarbeitet und bieten nun seit 2020 ein Förderpaket an, das Vermieterinnen und Vermieter noch mehr bezuschusst und absichert. So gibt es z. B. nun die Möglichkeit, einen Ausgleich für Mietmindereinnahmen zu erhalten, wenn eine Wohnung zwischen zwei Mietverhältnissen unverschuldet leersteht. Darüber hinaus können jetzt auch erforderliche Maßnahmen zur Instandsetzung der Wohnung bezuschusst werden.

2. Frage: Wieviel Haushaltsmittel stehen hier insgesamt pro Jahr zur Verfügung und bis wann ist es ggf. befristet?

Dr. Andrea Hanke: Das Förderangebot ist eine freiwillige Leistung der Region Hannover. Im Rahmen der Haushaltsplanung beschließt die Regionsversammlung über die jährlich zur Verfügung stehenden Mittel. Aktuell sind insgesamt 3,6 Millionen Euro jährlich dafür vorgesehen. Damit stehen genügend Mittel für etwa 80 neue Belegungsrechte pro Jahr zur Verfügung. Das Förderprogramm ist nicht befristet.

3. Frage: Wievielen Menschen konnte die Region auf diesem Weg ein neues Zuhause vermitteln beziehungsweise wieviele Vermieterinnen und Vermieter haben sich bisher für das Förderprogramm interessiert?

Dr. Andrea Hanke: Die Zahl der erworbenen Belegungsrechte steigt stetig. Mit Ablauf des Jahres 2023 werden wir die Marke von 200 Wohnungen überschritten haben. Dieser Zahl liegen 113 Förderverträge zugrunde. Einige Eigentümerinnen und Eigentümer haben mehrere Förderverträge mit uns geschlossen, sodass wir mittlerweile bei rund 100 unterschiedlichen Vertragspartnerinnen und Vertragspartner angelangt sind. Das ist schon sehr gut, bislang haben so über 500 Menschen Wohnraum gefunden. Wir wünschen uns aber, dass sich noch mehr Vermieterinnen und Vermieter für diese Variante entscheiden!

4. Frage: Was sind auf der Vermieterseite die am häufigsten gestellten Fragen?

Dr. Andrea Hanke: Das Interesse der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer nimmt zu. Mittlerweile verzeichnen wir monatlich zwischen 10 und 20 konkrete Anfragen. Natürlich mündet nicht jede in einem Fördervertrag. Einige Wohnungen müssen wir ablehnen, weil sie zum Beispiel kein angemessenes Raum-Wohnflächen-Verhältnis aufweisen oder weil sie manchmal auch schlicht in einem so schlechten Zustand angeboten werden, dass unser Qualifizierungszuschuss von bis zu 10.000 Euro nicht ausreichen würde, um die Mängel zu beheben. Die häufigsten Fragen beziehen sich auf das Verfahren und die Finanzierung. Aber die interessierten Vermietenden haben auch oft die Sorge, was passiert, wenn Mietende in Mietrückstand geraten oder welche Möglichkeiten es gibt, wenn es zu Konflikten innerhalb der Hausgemeinschaft kommt.

5. Frage: Gibt es dabei Vorurteile und Bedenken und wenn ja, welche sind das?

Dr. Andrea Hanke: Einkommensschwache und sozial benachteiligte Haushalte sehen sich mit unterschiedlichsten Vorurteilen und Klischees konfrontiert. Da wäre zum Beispiel die Befürchtung auf Seite der Vermietenden, dass Mieten nicht gezahlt werden. In unseren Beratungen erleben wir außerdem regelmäßig, dass ehemals wohnungslosen Personen nicht zugetraut wird, einen Haushalt zu führen oder mit der ihnen anvertrauten Wohnung pfleglich umzugehen.

6. Frage: Wie können Sie bzw. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Teams möglichen Befürchtungen seitens der privaten Vermieter begegnen?

Dr. Andrea Hanke: Da können wir ganz klar aus unserer Erfahrung berichten, dass es nur äußert selten zu Problemen dieser Art kommt. Aber wir können natürlich nicht grundsätzlich ausschließen, dass es in Einzelfällen zu einem vom Mietenden verschuldeten Schaden kommen kann. Aber davor sichert unser angebotenes Förderprogramm ebenfalls ab: Bei notwendig gewordenen Instandsetzungsmaßnahmen nach einem Mietverhältnis bezuschussen wir diese mit bis zu 10.000 Euro. Außerdem können wir Mietausfälle in gewissem Umfang auch seitens der Region übernehmen. Zudem besteht die Möglichkeit, einen sozialen Träger hinzuziehen, der die Mieterinnen und Mieter begleitet.

7. Frage: Haben die Vermietenden bei der Auswahl der Mieter ein Mitspracherecht oder treten sie dieses bei einem Kontrakt mit der Region Hannover an diese ab? Stichwort: Gewachsene Hausgemeinschaften, Hausfrieden etc.?

Dr. Andrea Hanke: Den Vermieterinnen und Vermietern werden drei Haushalte als potentielle Mieter vorgeschlagen, zwischen diesen drei Vorschlägen können sich die Eigentümer dann entscheiden.

8. Frage: Können Vermieter ganz normal im Rahmen des Mietrechts auch Kündigungen aussprechen – ausgenommen wegen Eigenbedarf, Modernisierung u.s.w.?

Dr. Andrea Hanke: Grundsätzlich ja, wobei wir natürlich immer erst einmal davon ausgehen, dass alle Beteiligen ein besonderes Interesse am Bestehen des Mietverhältnisses haben. Wenn Eigentümerinnen und Eigentümer vorhaben, das Mietverhältnis aus welchen Gründen auch immer zu beenden, bitten wir immer darum, die Region Hannover so frühzeitig wie möglich zu informieren, damit wir gemeinsam nach guten Lösungen suchen.

9. Frage: Welche Rolle spielen bei der Wohnraumbelegung für einkommensschwache Haushalte die gewerblich aufgestellten Wohnungsgesellschaften bzw. -genossenschaften?

Dr. Andrea Hanke: Bisher leider noch keine. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass auch größere Bestandshalter von Wohnraum Anträge auf die Förderung stellen – im Gegenteil: Wir versuchen verstärkt, auch diese Anbieter von unserem Angebot zu überzeugen. Das war bisher noch nicht so einfach, es fehlt hier noch an Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sind aber zuversichtlich, dass dies auch gelingen wird.

10. Frage: Wieviel Potenzial vermuten Sie in der Klientel der privaten Vermieter, die bereit sind, das Förderprogramm der Region aktiv zu unterstützen?

Dr. Andrea Hanke: Grundsätzlich kommt jede ordentlich instandgehaltene Wohnung für unsere Förderung in Frage, solange die Wohnungsgröße angemessen ist. Kurz gesagt: Das Potenzial ist sehr groß, deshalb halten wir wenigstens 80 erworbene Belegrechte im Regionsgebiet pro Jahr für eine realistische Größenordnung.

11. Frage: Gibt es interessierte „Nachahmer“ in benachbarten Kreisen der Region, die Ihrem Beispiel folgen oder aber folgen wollen? Schließlich begrenzt sich das Problem mit einem nur begrenzt zur Verfügung stehenden Angebot an bezahlbarem Wohnraum ja nicht speziell auf die Region Hannover?

Dr. Andrea Hanke: Diese Art von Förderung gibt es schon in anderen Landkreisen und Bundesländern, der Ankauf von Belegungsrechten ist im Grunde nichts Neues. Insofern konnte die Region Hannover auf Vorbilder zurückgreifen und ihren Bedarfen entsprechend anpassen. Nun ist es allerdings schon so, dass unser Angebot im bundesweiten Vergleich recht gut dasteht. Insofern besteht auch Austausch zu Städten und Landkreisen, die sich unsere Richtlinie zum Vorbild machen.

12. Frage: Hat es bisher einen Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen gegeben und gibt es Unterschiede bei der Akzeptanz des Förderpakets – z.B. nach Stadtteilen Hannovers oder der Kaufkraft der einzelnen Städte innerhalb des Regionsgebietes?

Dr. Andrea Hanke: Die Verteilung der erworbenen Belegungsrechte ist tatsächlich recht unterschiedlich. Unser Eindruck ist, dass es dort besonders gut läuft, wo unser Förderangebot politisch begleitet wird und auf engagierte Bürgerinnen und Bürger trifft. Bisher sind neben der Landeshauptstadt selbst, vor allem Sehnde und Uetze ganz vorne mit dabei.

13. Frage: Gibt es sog. „bevorzugte Gebiete“ auch innerhalb der Zielgruppe oder Kommunen, die beispielsweise wegen einer schlechteren ÖPNV-Versorgung weniger nachgefragt sind?

Dr. Andrea Hanke: In der Regel ist davon auszugehen, dass der mietende Haushalt auf eine gute öffentliche Verkehrsinfrastruktur angewiesen ist. Das schließt aber nicht aus, dass grundsätzlich auch mal eine abgelegenere Wohnung attraktiv sein kann. Das kann zum Beispiel für eine Mutter mit ihren Kindern sinnvoll sein, die nach einem Aufenthalt in einem Schutzhaus eine gewisse Anonymität sucht.

14. Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die überzeugendsten Argumente, von denen sich Vermieterinnen und Vermieter von dem Förderpaket der Region Hannover überzeugen lassen sollten?

Dr. Andrea Hanke: Wer in der glücklichen Situation ist, eine oder mehrere Wohnungen zu besitzen und zu vermieten, hat hier die Möglichkeit, sich sozial zu engagieren und anderen Menschen dabei zu helfen, ein sicheres Zuhause zu finden. Für alle Kinder, Frauen und Männer – und besonders für Menschen mit Problemen, schwierigen Lebensbiografien oder schweren Schicksalsschlägen – ist eine eigene Wohnung, ein persönlicher Rückzugsort, enorm wichtig. Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich hierfür entscheiden, sind finanziell abgesichert und haben mit der Region Hannover eine feste und zuverlässige Vertragspartnerin.

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