Auf ein Wort…

Veröffentlicht am 23. März 2022

David Jacob Huber, BFW-Geschäftsführer Landesverband Niedersachsen/Bremen

Liebe Immobilienfreunde, seit nunmehr 10 Jahren schreibe ich das Editorial für dieses Magazin. In diesen 10 Jahren hat sich viel ereignet und es ist einiges passiert. Aber noch nie war die Situation so dramatisch wie sie heute ist. Ich hätte hier so gern darüber geschrieben, dass wir uns im 40. Jahr des BFW Niedersachsen/Bremen auf das 40. Hannover-Forum und die Jubiläumsgala im Sommer freuen. Auch wenn das so ist, gibt es viel wichtigeres zu schreiben.

Seit einigen Wochen beherrscht der Krieg in der Ukraine unsere Presse und die Nachrichten. Es ist unfassbar, was hier, in Europa, passiert. Bis zuletzt habe ich wie Millionen anderer gehofft, dass der Krieg abgewendet werden kann. Und nun ist er Realität geworden. Gerade mal 1.600 Kilometer von Hannover entfernt sterben Menschen im Krieg. Unsägliches Leid wird verursacht. Und die Welt schaut ohnmächtig zu und hofft, dass eine weitere Eskalation verhindert werden kann.

Menschen sind auf der Flucht. Frauen und Kinder müssen ihre Heimat verlassen und wandern in eine mehr als ungewisse Zukunft. Viele der Flüchtenden kommen nach Deutschland und brauchen eine Unterkunft. Das ist eine große Herausforderung. In den letzten Wochen war ich in vielen Videomeetings, in denen die Vertreter der Kommunalpolitik die Wohnungsunternehmen und Verbände eindringlich gebeten haben, zu helfen und zu unterstützen.

Ich persönlich habe in all diesen Gesprächen eine unglaubliche Bereitschaft der Wohnungswirtschaft erlebt, tatkräftig zu unterstützen. Viele haben es einfach gemacht, haben Wohnungen zur Verfügung gestellt oder den Aufbau von Zwischenunterkünften unterstützt. Nun stellt sich ein weiteres Problem dar: Durch das Abreißen der Lieferketten sind selbst grundlegende Dinge wie Betten, Kücheneinrichtungen und andere Dinge nicht verfügbar.

Der BFW-Niedersachsen/Bremen unterstützt zurzeit die internationale Hilfsorganisation Habitat for Humanity Germany (www.habitatforhumanity.de), die gerade an den Grenzen zur Ukraine aktiv ist und dort Unterkünfte für die Flüchtenden baut. Es ist erschütternd, welche Bilder uns von dort erreichen. Sollten Sie, liebe Leser, hier helfen können, wenden Sie sich bitte schnell und direkt an Ihre Stadtverwaltung, an Ihre Gemeinde oder Hilfsorganisationen, die vor Ort die Unterkünfte organisieren. Gerne können Sie sich auch an unsere Geschäftsstelle wenden. Die Kontaktdaten finden Sie am Ende des Editorials.

Probleme potenzieren sich

Angesichts dieser Katastrophe rücken andere Probleme in den Hintergrund. Das Problem ist, dass diese Probleme durch den Krieg potenziert werden: Kurz vor Weihnachten war es fix, wir bekommen in Deutschland eine Ampel-Koalition. Die BFW-Landesverbände und der BFW-Bundesverband haben sich im engen Schulterschluss mit der neuen Regierung beschäftigt und viele Fragen gestellt. Fragen, die nicht nur für unsere Branche, sondern für die Bürger unseres Landes wichtig sind.

Wir wollten wissen, wie es mit dem Wohnungsbau weitergeht? Die Bundesregierung hat geantwortet, dass das höchste Priorität hat. Und neue Vorgaben und Erleichterungen versprochen. Den Bürgern wurden 400.000 zusätzliche Wohnungen versprochen. Wohnungen, die zusätzlich zu den schon geplanten und projektierten Wohnungen entstehen sollten. Dazu sollte Bauland mobilisiert werden, Förderungen angepasst und erhöht und die Verwaltung verschlankt werden.

Zuversicht bis 6:08 Uhr

Und es hat sich in der Tat schon einiges getan: Wir waren zuversichtlich, dass sich etwas in unserem Land bewegen könnte, das in die richtige Richtung geht. Die BEG-Förderungen, die bereits von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht wurden, waren eine gesunde Basis. Wenn nun Bauerleichterungen dazu kommen und mehr Bauland zur Verfügung steht, dann könnte was gehen. Dachten wir. Hofften wir. Bis zum 24. Januar 6:08 als die erste Meldung vom sofortigen Stopp der Förderungen über den Ticker gingen.

In diesem Moment wurde der Bau von weit über 200.000 Wohnungen gestoppt. In diesem Moment wurden Planungen in einem Ausmaß, das wir bis heute nicht beziffern können, irrelevant. 600 Millionen Euro bereits bezahlte Planungskosten wurden in diesem Moment unwiederbringlich vernichtet. Das sagen Experten. Zum Beispiel berichtet ein Unternehmer: „Bis zum 23. Januar hatte ich ein tolles Grundstück mit einem tollen Projekt, heute habe ich ein teures Grundstück mit einer wertlosen Planung, die mich 150.000 Euro gekostet hat.“ Das Unternehmen ist übrigens jetzt in Kurzarbeit.

Mir persönlich tut eine ganz andere Zahl weh: 200.000 nicht gebaute Wohnungen bedeuten bei der statistischen Durchschnittsbelegung der Wohnungen rund 500.000 Bürger, die nun noch schwerer eine Wohnung finden. Denn Wohnraum ist knapp, wie alle wissen. Dazu kommt, das Unternehmen, Investoren, Bauträger akut in der Existenz gefährdet sind, weil ihre Projekte nun nicht realisiert werden oder aufwändig umgeplant werden müssen. Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Ampelregierung.

Wo ist die Hilfe geblieben?

Es ist noch kein Jahr her, dass wir alle voller Entsetzen ins Ahrtal geschaut und uns gefragt haben, wie so eine Naturkatastrophe mitten in Deutschland entstehen kann. Politiker sind ins Krisengebiet gefahren, haben Reden gehalten, sich fotografieren lassen und so manches Mal sogar angesichts der Betroffenheit gelacht haben. Viele Millionen von Euros wurden als Hilfe versprochen. Es sollte sofort und schnell geholfen werden. Wenn man sich heute mit den betroffenen Menschen unterhält, erfährt man, dass sie allein gelassen werden. Schnelle, unbürokratische Hilfe geht anders.

Ärmel hochkrempeln

Ich würde mal sagen, dass die ersten Monate des Jahres 2022 mehr an Herausforderungen und Problemen gebracht haben als die 5 Jahre zuvor. Dazu kommt, dass die Gesellschaft gespalten ist. Wir reden nicht mehr miteinander, wir tauschen uns nicht mehr aus und sind immer weniger bereit, Gegenargumente anzunehmen und einfach mal im Raum stehen zu lassen. Aber genau das müssen wir jetzt wieder lernen, um als Gemeinschaft die Herausforderungen zu bewältigen. Ärmel hochkrempeln und uns am Riemen reißen. Mut und Zuversicht aufbauen und an die Arbeit gehen. Es gibt so viel zu tun!

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